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Mit dem Stahlross durch die Wolken

oder Zug-Abenteuer in Sri Lanka

 „Sehr verehrte Fahrgäste, in Kürze erreichen wir Treuchtlingen, unser Zug hat derzeit eine Verspätung von 25 Minuten, die Anschlusszüge konnten leider nicht auf weiterreisende Fahrgäste warten, wir bitten um Entschuldigung, ...., sänk ju for treväling wis Deutsche Bahn!"

Mal ehrlich, wer kennt solche Ansagen im Zug nicht und so ist die Deutsche Bahn wohl mit vorne dabei im Wettbewerb um das Unternehmen, über das am meisten Ärgernis entsteht. Nur selten freilich gelangt man so zu seinem Ziel, wie es versprochen oder erwartet ist: Verspätungen, überfüllte Züge, ausfallende Klimaanlagen im Hochsommer, die Liste der Unannehmlichkeiten ist lange. Fast jeder hat sein eigenes kleines oder großes Drama zu berichten und so konnte auch ich regelmäßig aus der Haut fahren, wenn es mal wieder nicht so gut geklappt hat mit dem Erreichen meines Ziels.
Nach einer absoluten Katastrophenfahrt mit Zug in Sri Lanka im Jahr 2011 von Haputale nach Hatton zum Adams Peak mit Manuel und drei Betreuerinnen wurde ich nachsichtiger mit der Deutschen Bahn, wusste ich nun, dass man vergleichsweise doch recht gut bedient ist. Die Erinnerung an diese planmäßig dreistündige Zugfahrt, die sich letztendlich auf elf Stunden verlängerte, machte mir Kopfzerbrechen als klar wurde, dass einer unserer Ferienausflüge 2016 eine Zugfahrt nach Hatton wird. Der Wunsch genau dieses Trips stand schon lange im Raum, die Begeisterung der Mädchen war riesig und genau deshalb wusste ich schon vorher: egal wie die Umstände sein werden, es wird eine tolle Erfahrung für die Kinder werden und somit auch für mich. 

Früh am Morgen brechen wir also auf. Mit dem Van geht es zum Bahnhof ins 45 Minuten entfernte Haputale, wir zählen nach: die Hälfte meiner Mitfahrer tritt gerade zum ersten Mal eine Zugreise an und ich werde mit Fragen über das noch unbekannte Transportmittel bombardiert.
Wir sind pünktlich und zu meiner Überraschung der Zug auch. Spätestens bei der Einfahrt des schnaubenden Gefährts, die mit außergewöhnlicher Begeisterung gefeiert wird, wird jeder Zweifel weggefegt: für die Mädels wird es ein besonderer Tag. Bin froh dass mir keiner auf die Gleise fällt, habe ja nur zwei Hände und bräuchte mindestens 10, um alle festzuhalten, die vor Neugier fast vorn über kippen.
Wir erklimmen einen Wagon der dritten Klasse,  vielmehr ziehe ich die Hälfte meiner Mädchen von oben an der Hand die viel zu großen, senkrechten Stufen hinauf.  Zunächst gibt es enttäuschte Gesichter, denn alle Plätze sind besetzt. Lange zu stehen sind wir ja gewohnt, aber wir wollten eben gerne etwas sehen von der Strecke und das ist im Mittelgang nicht so leicht, wenn die Fenstersitzer die Sicht blockieren. Immerhin, zufällig sind wir im Speisewagen gelandet und wir haben Aussichten auf Stehplätze mit Fensteranschluss und mehr Platz, wenn wir genug Durchsetzungsvermögen an den Tag legen und darin sind meine Mädels nun mal einsame Spitze. Wer mit 100 Geschwistern aufwächst, der weiß wie man sich behauptet.
Mir als einer vermeintlichen Touristin wird natürlich schon nach kurzer Zeit ein Sitzplatz von einem Aussteiger angeboten, der Blick der Nachbarn als ich den Sitzplatz annehme und dann die drei erschöpften 11jährigen Nesthäckchen darauf staple, zeigt viel Unverständnis. Man kann uns nicht einordnen, an Touristen ist man hier im Unterschied zu unserem Heimatort ja mittlerweile gewöhnt und doch passe ich so gar nicht ins Schema, klar ist für alle, wir sind anders, ein ungewöhnlicher Haufen.
Schnell setzen wir uns durch, haben zumindest einige Fensterplätze und sind an der Front dabei, wenn es darum geht den Kopf möglichst weit hinauszustrecken, um ALLES sehen zu können. Im Bergland um Haputale zeigen mir die Kinder, die von dorther kommen ihre alten Schulen oder „ihre Gegend“, stolz, dass auch sie  ihrer Akka mal etwas erklären können. Danach kommt die Zeit der Tunnels und wir lernen wie man sich als ordentliches Kind im schwarzen Schlauch verhält, nämlich Kopf raus und aus vollem Hals „UHHHHHH“ brüllen. Schon im zweiten Tunnel von vielleicht 30 sind die Little Smile Kinder federführend, wir lernen halt schnell dazu. Die Elftklässler erkämpfen sich einen „Panoramaplatz“ in der offenen Tür, der eigentlich den männlichen Fahrgästen oder Touristen vorbehalten ist, der Schaffner schaut skeptisch, ich nicke und gebe damit die Tür frei und meine Großen können sich gar nicht satt sehen dort im Fahrtwind stehend, ist die Landschaft doch so Facettenreich auf dem Weg: Der weite Bergblick, im Nebel versunkene Nadelwälder, Gemüsefelder, Teeplantagen....Ein bisschen sorge ich mich schon, dass einer zu übermütig wird an der Tür, aber man muss ihnen eben etwas zutrauen den jungen Damen. Bin trotzdem angespannt und durchaus ein bisschen erleichtert als sich irgendwann ein Rambo-ähnlicher Macho Mann hineindrängelt, mit dem ich lieber keinen Streit darüber anfangen möchte, wer das Vorrecht auf den Türplatz hat.
Es wird kalt, ziemlich kalt sogar, dick eingepackt und zusammengerückt schlafen die kleineren dann doch auf dem Schoß der Betreuerinnen ein und die großen, die zählen Tunnel, schreiben die Haltestellen nieder, kämpfen erfolgreich weiter um immer neue, bessere Fensterplätze für sich und die weniger starken und spüren den Fahrtwind. Stolz streckt mir Saroja nach einer Stunde im Fenster in der Gegend um das für Sri Lanka eiskalte Nuwara Eliya ihren kalten Arm und ihr kaltes Gesicht entgegen und leitet damit den Wettbewerb um die kältesten Körperteile ein. Ich muss schmunzeln und an das Frieren im Winter denken. Klar dieses Gefühl kennen sie nicht und so ist es ein Erlebnis, müssten sie dafür ja in den Kühlschrank klettern, oder eben mit dem Zug nach Hatton fahren. Kurz vorm Ziel beginnt es zu regnen, kein Grund den Kopf nicht mehr aus dem Fenster zu strecken, ist ja doch noch zu warm als dass das Wasser im Gesicht gefriert, doch für mich Grund zur Sorge: was in dieser doch nicht sehr spannenden Stadt machen, im Regen? Zu aller erst ruft natürlich der Magen und wir haben selbstverständlich vorgesorgt. Soja- und Kartoffel-Curry gibt es, unser Reisecurry, da es sich lange hält und allen schmeckt.
Wir haben Glück, es hört nach unserer Brotzeit am Gleis des Ankommens aufgereiht dann doch auf zu regnen und wir können einigermaßen trockene zwei Stunden in Hatton verbringen, besichtigen die kleinen Sehenswürdigkeiten, wie  z.B. eine Kirche der Kolonialzeit, spazieren im Castlereagh Reservoir umher, veranstalten Stein-Weitwurf-Wettbewerbe am See und liefern uns Wettläufe mit den Blutegeln, die im verregneten Reservoir in Scharen auftauchen, zum Glück haben meine Dschungelkinder ja eine sehr professionelle Beziehung zu den Blutsaugern und nehmen’s sportlich. Die wenigen Stunden in der Bergstadt reichen, um wieder Lust aufs Zugfahren zu bekommen und so treten wir gut gelaunt die Rückfahrt an, denn eins war ja schon von vornherein klar:

Der Weg ist das Ziel!