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Zwischen Hoffnung und Bangen: Sozialarbeit und Kindernothilfe in Sri Lanka, 28 Monate nach der Tsunamikatastrophe
Liebe Freunde und Wegbegleiter,
Manchmal tut wie Wahrheit einfach nur weh und nicht immer kann das, was gut gemeint war auch auf Dauer Gutes vollbringen. Dies gilt, wie mir Profis von UNICEF bis WORLDVISION versicherten, genau genommen für jede Katastrophenhilfe. Beim Tsunami freilich hat es Little Smile und mich betroffen und teilweise auch wirklich betroffen gemacht.
Soll und darf man Menschen mitteilen, was schief gegangen ist, ohne dass Sie ihre Hilfsbereitschaft, die unbestritten großartig war und ist, in Frage stellen? Ist das nicht eine Art Selbstmord für eine Organisation, die ja nur helfen kann, wenn Menschen bereit sind zu helfen? Auf der anderen Seite: Sind Offenheit und Ehrlichkeit nicht die unverzichtbaren Grundlagen für Vertrauen und Vertrauen wiederum Basis für alles Andere? Vielleicht können Sie nach diesen Zeilen eher begreife, wie schwer und zuweilen schmerzhaft der Spagat zwischen meiner alten und neuen Heimat war und immer noch ist.
Liebe Freunde,
es steht mir nicht zu und liegt mir auch fern, über die Arbeit von Anderen zu urteilen. Schon sehr früh nach der Tsunamikatastrophe habe ich für alle Mitarbeiter von Little Smile die Losung ausgegeben, nur auf das zu schauen, was wir tun, denn nur dafür sind wir verantwortlich. Trotzdem blieben wir natürlich nicht unberührt vom allgemeinen Geschehen. Wenn Hilfsorganisationen, die nach der Tsunamikatastrophe mit viel Geld und wenig Ahnung ins Land kamen, beispielsweise für einen Fahrer mehr als das Doppelte bezahlen als Little Smile für den Leiter aller Projekte, also für unseren Manager Anton, dann stimmt irgendwas mit der Verhältnismäßigkeit nicht mehr. Wenn uns die Arbeiter und angestellten davonlaufen, weil sie bei den neuen Organisationen ein Vielfaches, in Einzelfällen bis zu dem 10fachen, verdienen können, dann schafft dies eine Mehrklassengesellschaft, Neid und Missgunst. Was aber noch schwerer wiegt: Plötzlich werden Menschen mit Geld in die Sozialarbeit gelockt, nicht wenige von diesen Neusozialarbeitern und Projektleitern bekommen zudem innerhalb kurzer Zeit Verantwortung für hohe Geldbeträge übertragen. Für uns war es unmöglich, bezahlbare Ingenieure, Architekten oder ehrliche Bauunternehmer zu finden. Schließlich war ich gezwungen, nahezu alle Bauprojekte in die eigene Hand zu nehmen, anders wäre die angemessene und kontrollierte Verwendung ihrer Spendengelder für mich einfach nicht gewährleistet gewesen. Jeder Plan, jeder Einkauf, jede einzelne Baumaßnahme, ja jeder einzelne Schritt, nichts ging da mehr ohne schärfste Kontrolle.
Nicht nur Häuser bauen, wie das Hauptgebäude im Ausbildungszentrum in Pilane bei Galle (im Bildhintergrund).
Einen Baum pflanzen für ein besseres Morgen. Was Suresh Amarasiri, Projekt-Koordinator in Galle und Michael Kreitmeir am Morgen der Eröffnung tun, ist Symbol für das Ziel der Organisation Little Smile, die bei ihren Projekten über das Hier und heute hinaus denkt.
Überall, ob beim Krankenhausbau in Kalmunai, dem Bau der internationalen Schule in Koslanda, der Medizinstation in Buttala oder den Kinderhäusern in Galle sollte ich gleichzeitig sein und das, obwohl unsere„klassischen Aufgaben“ im Bereich der Kindernothilfe ja nicht weniger wurden, im Gegenteil. Erschwerend kam dazu, dass der Krieg im Osten unsere Kinder dort bedrohte und uns viel Sorgen machte und zusätzliche Anstrengungen kostete und kostet.
Im Kinderdorf in Koslanda verloren wir zahlreiche Mitarbeiter, weil Ihnen von anderen Organisationen ein Vielfaches an Gehalt bezahlt wurde, gleichzeitig nahmen die Vorschriften und die Kontrollen durch den Staat zu. Wochen, ja Monate gab es weder für mich noch für Anton, Sheran oder Bawani auch nur einen einzigen freien Tag, manchmal drohten uns die Sorgen und Probleme die Luft zu nehmen. Gut, dass uns da immer wieder die Kinder mit ihren ganz alltäglichen Sorgen und Problemen daran erinnerten, wofür wir, wofür Little Smile eigentlich steht. Die Hilflosigkeit und Not der Kinder aber auch ihr Lächeln gaben mir die notwendige Kraft. Und da war ihre Vertrauen, liebe Freunde in der alten Heimat und ihre Geduld. Niemand von Ihnen hat uns gehetzt, Niemand hat schnelle und prunkvolle Eröffnungen gefordert um danach das Projekt Tsunamihilfe und Sri Lanka-Kindernothilfe abzuhacken und zu vergessen. Wir haben getan und tun jeden Tag was uns möglich ist, Schritt für Schritt. Nach wie vor geht es für mich, geht es für Little Smile darum, dass jeder Cent da wirken kann, wofür er gegeben wurde. Viele unserer Projekte sind auf Dauer angelegt d.h. Little Smile wird auch in 5 oder 10 Jahren noch für die Kinderhäuser, Schulen oder Trainingszentren Verantwortung tragen. Und da geht es eben nicht so schnell. Das Kinderdorf in Koslanda ist ein funktionierendes Beispiel, dass Sozialprojekte sich langsam aber stetig entwickeln müssen, wollen sie auf Dauer funktionieren.
Liebe Wegbegleiter,
ich versuche an vielen Fronten gleichzeitig ein wenig mehr Toleranz, Verständnis, Menschlichkeit und Ehrlichkeit in eine Gesellschaft zu bringen, in der sehr viele Menschen diese Werte gar nicht wollen, oder doch? Vielleicht kennen sie nur eine Welt voller Argwohn, Misstrauen, Neid und Angst. Ich glaube inzwischen ein großer Teil der Menschen dieses Landes ist traumatisiert.
Ungeachtet der Gefahr sind Michael Kreitmeir und Mitarbeiter von Little Smile wie hier Bawani auch in den Krisengebieten im Osten unterwegs. Jeder Mensch und ganz besonders jedes Kind hat ein Recht auf Unversehrtheit, Schutz und auf ein Lächeln. Während Tsunamiwaisen von vielen Organisation geholfen wurden, werden die Opfer des Bürgerkrieges weitgehend vergessen. In den Kriegsgebieten können sich Helfer keine Orden verdienen, bekommen keine öffentliche Aufmerksamkeit und Anerkennung. Hier erwartet sie Gewalt, Gefahren und unglaubliches Leid.
Kolonialismus, Bürgerkrieg und Ausbeutung durch die herrschende Klasse haben zu Misstrauen und Angst als Überlebensstrategie geführt. Ein falsch verstandener Buddhismus, der Leben als Strafe definiert, die Traumata hier sitzen viel, viel tiefer, als sie je eine Welle - und sei sie noch so groß, schlagen könnte.
Da gibt es eine Schicht, vornehmlich in Colombo und Kandy, die sich westlich gibt, den Westen aber nur unter dem Konsumaspekt interpretiert, Mode und oberflächliche Lebensart imitiert. Was stört wird einfach ignoriert, ausgeblendet. Dass wenige Autostunden entfernt ein Bürgerkrieg tobt und zwar seit mehr als zwei Jahrzehnten.
Es gibt so viele unterschiedliche Sri Lankas! Eines etwa mit dem ewigen Lächeln für zahlende Touristen, eines das sehr erfolgreich um internationale Hilfsgelder buhlt, eines, das einen nicht geringen Teil der armen Bevölkerung in die Erdölstaaten als billige Arbeitskräfte verschachert und so den überwiegenden Teil an Devisen verdient… Sir Lanka ist ein Land, in dem Handy und Steinzeitaxt, Paradies für Reiche und Touristen und Hölle für verlassenen Frauen und Menschen in den Kriegsgebieten nebeneinander existieren.
Sie sehen, es ist nicht so einfach mit dem sinnvollen Helfen hier. Und doch, es ist möglich und es gibt, meine Überzeugung nach, für Little Smile keine Alternative dazu und für mich gibt es keinen Weg mehr zurück in mein sicheres, bequemes und angenehmes Leben vor Little Smile.
Nicht anklagen sondern anpacken, nicht kritisieren und jammern sondern einfach das tut was wichtig und ich glaube auch richtig ist, das war und ist, was Little Smile hier tut und was durch ihre Hilfe, ihre Unterstützung erst möglich wurde und wird. Nicht nörgelnd und alles besser wissend, nicht bekehrend und voller Kritik, sondern mit Verständnis und Liebe zu den Menschen und ihrem Land, offen für die Sorgen und Nöte aber auch realistisch und verantwortungsbewusst, dies macht Little Smile in Sri Lanka aus und so soll es auch bleiben. Wir fangen bei den Kindern und bei Witwen bzw. verlassenen Frauen mit Kindern an und wir werden nicht aufhören Hoffnung und Liebe vorzuleben und zwar, wenn möglich, mit einem Lächeln.
Danke für Ihre Wegbegleitung, Ihr Verständnis und dafür, dass ich ehrlich sein darf.
Little Smile im Mai 2007
Ihr
Michael Kreitmeir
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