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Helfer in Bedrängnis

Angriff auf Mitarbeiter und Leiter des Kinderdorfes Little Smile

Aufgehetzt von einem der JVP angehörenden Schuldirektor und unserem ehemaligen Bauleiter Herrn Bandula hat eine Menge von etwa 400 meist betrunkenen Männern am Donnerstagabend, 23. Juni 2005, versucht, einen Mitarbeiter des Kinderdorfes Little Smile im Anschluss an eine Schulversammlung zu misshandeln, nachdem er dort den Direktor wegen Übergriffen und Rechtsverletzungen offen zur Rede gestellt hatte.

Als die Situation zu eskalieren drohte, man den Mitarbeiter schlug und im Triumphmarsch durch das Dorf trieb, wurde ich von verstörten Frauen verständigt. Mit zwei weiteren Mitarbeitern fuhren wir sofort mit unserem Kleinbus Richtung Schule. Unmittelbar vor der Polizeistation traf ich auf die johlende Masse von Menschen, in deren Mitte, sichtlich misshandelt, unser Mitarbeiter Dominik de Silva. Da das Tor der Polizei verschlossen war, parkte ich unser Fahrzeug vor dem Eingang der Polizei und eilte meinem Mitarbeiter zu Hilfe.

Ich versuchte die Situation zu beruhigen und den Angreifern freundlich zu begegnen. Es wäre wohl auch gelungen, wenn die Leute nicht von einigen Anführern weiter aufgehetzt worden wären. Plötzlich richtete sich alle Aggression gegen mich und zwar nicht als Leiter des Kinderdorfes oder als Michael Kreitmeir sondern ausschließlich als Vertreter der "weißen Rasse". Die Polemik der JVP, gepaart mit dem Schüren von Neid, gerade auch gegenüber den Tsunamigeschädigten, die jetzt ja ALLES bekommen und an den Teuerungen schuld sind, sowie das Ausstreuen falscher Informationen über ausländische NGOs (Missbrauch von Spendengeldern) zeigte für uns fatale Wirkung. Dass es sich nicht um eine spontane Unmutsäußerung sondern um einen geplanten Akt der Aggression handelte war daraus zu ersehen, dass viele der mir gegenüberstehenden Männer mit Prügeln, Messern und Fahrradketten bewaffnet waren.
Die Rädelsführer hatten sich den Umstand zu Nutze gemacht, dass das derzeitige politische Klima wegen der am folgenden Tag, Freitag 24. 06.2005 geplanten Vertragsunterzeichnung zwischen der Regierung und der LTTE über die Koordination der Tsunamihilfe, aufgeheizt war und viele Menschen in unserer Gegend, die keine Bildung haben, den Gewalt- und Neidparolen der JVP gegenüber sehr aufgeschlossen sind.

Ich merkte schnell, dass ich die Situation nicht mehr lange kontrollieren könne und versuchte, in einem geordneten Rückzug mit meinem Mitarbeiter die Polizeistation zu erreichen. Als ich das Tor öffnen wollte und der Meute meine Rücken zuwenden musste, wurde ich mit Prügeln attackiert. Ich sorgte zuerst dafür, dass meine Mitarbeiter aufs Polizeigelände gelangen konnten, rechnete ich doch damit, dass meine weiße Haut und meine Größe und Körperkraft doch einen gewissen Schutz darstellen würde.

Plötzlich befand ich mich in einem Hagel von bis zu faustgroßen Steinen, wurde u.a. zwei Mal hart am Kopf getroffen und konnte mich gerade noch hinter dem Tor in Sicherheit bringen.
Ich verletzt, unser Bus beschädigt ......

Die Menschen tobten ihre Aggression nun an unserem Fahrzeug aus, das sich immer noch vor der Polizei befand. Mir war klar, dass die drei anwesenden Polizisten weder in der Lage noch Willens waren uns zu verteidigen, sollte die Masse die Station stürmen. Also verließ ich das Gelände wieder und stellte mich den Angreifern. Die waren daraufhin so perplex, dass ich ungeschoren unser teilweise demoliertes Fahrzeug erreichen und mit ihm den Ort des Geschehens verlassen konnte. Es ging dabei nicht so sehr darum, den für das Kinderdorf wichtigen Van zu retten sondern zu verhindern, dass das Auto in Brand gesteckt und damit die Meute noch mehr aufgeheizt würde.

Nachdem ich den Van versteckt hatte kehrte ich, mitten durch die wieder völlig überraschte Masse, zurück auf das Gelände der Polizei, denn nur durch meine Anwesenheit konnte ich meinen Mitarbeitern dort einigen Schutz geben. Inzwischen war der buddhistische Mönch des Ortes zur Hilfe gerufen worden und so war ein gewisser Schutz vor Erstürmung gegeben, zumindest so lange, bis Verstärkung der Polizei aus dem etwa 30 Kilometer entfernten Haputale eintraf.
Polizei auf dem Little Smile Gelände – zum Schutz vor den aufgewiegelten Massen

Bis weit nach Mitternacht wurden wir dann verhört, ohne ärztliche Hilfe, gerade so als seien wir die Täter und nicht die Opfer. Mein 18jähriger Sohn Manuel, der seit 11 Monaten im Kinderdorf ein soziales Jahr leistet, kam zwar unbehelligt auf einem Schleichweg in die Polizeistation auf dem Rückweg zum Kinderdorf aber versuchten einige Männer, ihn in ein Fahrzeug zu zerren und zu entführen. Manuel konnte aber entkommen und verständigte Mitarbeiter von Little Smile aus Galle. Die trafen dann gegen 5 Uhr am Morgen mit drei Elitesoldaten ein und übernahmen die Sicherung des Kinderdorfes. Auch die Polizei kommandierte zwei völlig übermüdete Polizisten ab, die eigenen Aussagen nach seit 26 Stunden ohne Pause im Dienst waren.
Obwohl der Direktor des singhalesischen Schule, Herr Puspananda de Silva, der der Rädelsführer und Initiator dieser Übergriffe war, in der Polizei vor Zeugen versprochen hatte, alle Aggressionen einzustellen, wurde er von unseren ankommenden Mitarbeitern aus Galle dabei überrascht, wie er im Dorf Plakate anbrachte, die zur Gewalt gegen Weiße und besonders gegen mich und einige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Kinderdorfes aufriefen. Die Anzahl und Machart der Plakate lässt keinen Zweifel zu, dass es sich um eine vorbereitete Aktion handelte.
Drei im Kinderdorf anwesende deutsche Mitarbeiterinnen  von Hilfsorganisationen, Frau Claudia Lamprecht von STERNSTUNDEN, Frau Antoniae von Hohenlohe von "Children for a better world" und Frau Ilonka Erlenbach-Wegener waren, wie auch die Kinder und Mitarbeiter innerhalb des Dorfes gottlob und dank der Unterstützung aus Galle zu keiner Zeit gefährdet.
Am Freitag nötigte dieser Direktor des „National College Koslanda“, eben jener Herr Puspananda de Silva, Schüler und Lehrer an einer von der JVP organisierten Demonstration gegen Weiße teilzunehmen. Der Zug konnte jedoch vor dem Kinderdorf von der Polizei gestoppt werden. Im Kinderdorf war unsere einzige Verbindung nach Draußen, das Telefon gestört oder gekappt, Handys haben dort keinen Empfang. Also konnten wir auch nicht die Botschaft verständigen. In Zusammenarbeit mit der Polizei bemühten wir uns die Lage in den Griff zu bekommen und die Sicherheit der Kinder, Mitarbeiter und Gäste zu gewährleisten.
Am Samstag, 25.06. dann entschärfte sich die Lage und so konnte ich die drei deutschen Gäste am Sonntagmorgen in Begleitung meines Sohnes Manuel in einem gemieteten Minibus zur Weiterfahrt zu unserem Zentrum in Ampare an der Ostküste und danach zu Little Smile Projekten nach Kalmunai und ein Kinderhaus bei Batticaloa schicken. So konnten die Mitarbeiterinnen der Hilfsorganisationen aus Deutschland mit einem Tag Verspätung das ursprünglich geplante Besuchsprogramm, wenn auch gekürzt, beenden.
An dieser Stelle möchte ich Frau Erlenbach-Wegener, Frau von Hohenlohe und Frau Lamprecht für ihre Klugheit, Besonnenheit und ihre moralische Unterstützung in einem schwierigen Moment höchste Anerkennung und Dank aussprechen.
Am Sonntagnachmittag gelang es mir dann, Herrn Georg Schmidt, Leiter des Partnerschaftsbüros bei der deutschen Botschaft zu erreichen. Wir vereinbarten, alle weitere Aktionen von Seiten Little Smiles abzustimmen und die Schritte der Polizei und der Behörden abzuwarten. Vom Leiter der zuständigen Polizeiinspektion Haputale, OIC Harsha Rathnayake wurden die ersten Verhaftungen für Montagabend angekündigt.
Erst am Sonntag, dem 26.06., konnte ich das Kinderdorf verlassen und mich im Krankenhaus in ärztliche Behandlung begeben, um die Gesichtsverletzungen und die Prellungen am ganzen Körper offiziell feststellen zu lassen, Behandlungen haben wir erfolgreich in unserer Ayurvedastation im Heim bereits durchgeführt. Die Schwellungen sind deutlich zurückgegangen. Der Mitarbeiter Dominic, bei dem Verdacht auf innere Schädelverletzungen bestand, wurde stationär in einem Krankenhaus aufgenommen.
Vor allem unserem Mitarbeiter Dominik de Silva, hier bei der Behandlung im Krankenhaus steckte der Schock nach dem tätlichen Übergriff ihn in den Knochen

Sonntagnacht, nach Abzug der Polizisten, herrschte bei vielen Kindern und auch Mitarbeiterinnen im Kinderdorf große Angst, so dass wir einen eigenen Wachdienst organisierten. Abgesehen von einigen Schmährufen und Steinwürfen blieb es aber ruhig.

Der Schuldirektor, Herr Bandula und seine Helfershelfer der JVP versuchen jetzt, eine Rufmordkampagne gegen mich organisieren. Deshalb wurden bereits am Samstag Personen losgeschickt, um unter unseren ehemaligen Kindern, nach Jemandem zu suchen, der gegen hohe Geldzahlung bereit wäre, mich und/oder andere Mitarbeiter des sexuellen Missbrauchs zu beschuldigen. Diese Information scheint leider gesichert zu sein: Wir erhielten den Anruf einer verstörten Mutter, die uns von einem solchen Überredungsversuch erzählte. Diese Form des Rufmordes ist übrigens ein durchaus gängiges Mittel hier in Sri Lanka, um unliebsame Ausländer los zu werden.

Am Montagmorgen gegen 6 Uhr erschienen drei Vertreter der großen englischsprachigen Tageszeitung Daily Mirror, die bereits vor einigen Monten über Little Smile berichtet hatte.
Wir verständigten das Sozialministerium Sri Lankas und das Erziehungsministerium des Landes von den Vorfällen. Unsere Kinder schickte ich, auch auf Anraten der deutschen Botschaft, nicht in die Schule, vielmehr organisierten wir den Unterricht im Kinderdorf. Dies kann aber kein Dauerzustand sein. Zufall oder nicht, am heutigen Montag, dem 27.06., beginnen wir mit dem Bau der internationalen Schule auf dem Gelände des Kinderdorfes.

Ein großes Problem besteht im Moment darin, dass wir über kein Fahrzeug mehr im Kinderdorf verfügen und auch das Motorrad zerstört worden ist. Wie lange die Reparatur des demolierten Vans dauern wird, lässt sich noch nicht sagen, in jedem Fall sind die Beschädigungen erheblich.

Es besteht momentan kein Grund mehr zur Sorge, die Lage ist im Griff: Wir versuchen so viel Normalität wie nur irgend möglich für die Kinder und Mitarbeiter wiederherzustellen. Trotzdem gibt die derzeitige Aggression gegen Weiße und Hilfsorganisationen Anlass zur Nachdenklichkeit, besonders in Regionen, in denen die JVP stark ist.
Wir werden unsere Arbeit aber zum Nutzen der Schwachen und besonders der Kinder in Not, sowie der Tsunamiopfer in unseren verschiedenen Einrichtungen hier in Sri Lanka fortsetzen.
Zudem hoffe ich, dass die Polizei nach einiger Zeit des taktischen Abwartens die Schuldigen, wie versprochen, zur Rechenschaft ziehen wird. Sollte dies unterbleiben, sehe ich die Gefahr, dass bestimmte Elemente in diesem Land zu ähnlichen und vielleicht in Folge noch schlimmeren Übergriffen ermutigt werden könnten.
Übrigens fand die Meute dann doch noch ein Ventil für die Aggression und zerstörte und verbrannte das neue Motorrad, mit dem unser Mitarbeiter zum Schulmeeting gefahren war.
Fassungslosigkeit bei unseren großen Jungs im Kinderdorf: Unser Motorrad war keine 24 Stunden alt als es dem Pöbel zum Opfer fiel.

Kinderdorf Little Smile am 27. Juni 2005

Michael Kreitmeir