Little Smile, den 14. Februar 2002
Obwohl es hier im Kinderdorf unendlich viel zu tun gibt und die Tage für mich immer zu kurz sind, vergangenen Montag haben wir uns losgerissen, um endlich mit einigen Kindern dahin zu fahren, wo sie herkommen.
Dimbulagala, Polunaruwa und die Dörfer dahinter, in denen einige unserer Kinder gehaust haben, waren Wahnsinn. Bandula hat geweint, als wir am Abend alleine waren, einmal abgesehen von viel Dreck und Tausenden von Moskitos. Hat ihn wirklich mitgenommen zu erleben, unter welchen Bedingungen Shrima, Nadeeka, Shanti, Niluka, Jeewani und Sunetra sowie Maduka und Chaturi gelebt haben. Nur bei Sudarma war es ein bisschen besser, da Vater und Bruder als Soldaten im Krieg gestorben sind und die Mutter daher so was wie eine Pension bekommt. Shrimas und Nilukas Mutter haben uns angefleht, doch auch den jeweils kleinen Bruder zu nehmen. Geht leider nicht mehr, das Leben ist so ungerecht. Ganz schlimm ist es auch bei Maduka und Chaturi. Die haben da nicht einmal eine Hütte nur ein mit alten Palmblättern abgedecktes Loch ohne Türe. Die Mutter haust da mit einem kleinen Bruder. Zu allem Elend hat sich noch ein Mann dazugesellt, der ständig betrunken ist und die arme Frau regelmäßig verprügelt. Habe ihm gepackt, hochgehoben und geschüttelt und ihm gedroht, mir ist aber klar, dass diese Menschen nichts anders kennen als Gewalt, Elend, Alkohol, eine schreckliche Spirale, aus der wir wenigstens einige Kinder rausgeholt haben. Niluka können wir niemals mehr "nach Hause" schicken und auch Shrima nicht. Seit die neue Regierung an der Macht ist wird in der Region zwar nicht gekämpft, aber Gewalt ist zur Normalität geworden, besonders gegenüber Frauen. Mich hat das Schicksal von Shrimas Schwester Manschula ziemlich mitgenommen, auch ein sehr hübsches Mädchen, gerade ein Jahr älter als Shrima. Da Mutter und kleiner Bruder ( 4 Jahre) keinen Schutz geben können und die Lehmhütte nicht einmal eine Türe hat, ist Manschula ständigen Übergriffen ausgesetzt. Ganz sicher wird sie bald schwanger, der Teufelskreis beginnt wieder. Wie da Manschula und Shrima nebeneinander standen und doch Welten dazwischen lagen, da habe ich trotz all der Hitze eine Gänsehaut bekommen. Shrima, Shanti, Sudarma und Nadeeka sowie Danuschka haben uns bei diesem Trip begleitet und die Mädchen blieben eine Nacht " zu Hause", Danuschka bei seinem Mönch im Tempel.. Shanti und Shrima waren am nächsten Tag krank. Mehr noch. Wir haben uns bei der Abholung etwas verspätet und die Mädchen hatten bereits panische Angst, wir wären ohne sie zurückgefahren. Habe auch noch versucht etwas zu filmen. War viel verlangt, angesichts der langen Fahrt. Das Auto von Sandasiri ging auch noch kaputt (Kupplung) und Nande musste 2 Stunden lang richten), Bandula und ich haben 2 Tage nichts gegessen, waren am Montag mehr als 14 Stunden unterwegs ( Start um 4 Uhr am Morgen). Am meisten aber haben uns Not und Elend rund um uns herum zugesetzt. Ständig sind uns Menschen nachgelaufen, um Kinder abzugeben, für die das Leben bereits in den ersten Jahren die reine Hölle ist. Ich bin ja einiges gewohnt und habe gelernt mit meiner Ohnmacht angesichts der Masse an Elend zu leben, aber so hautnah, das war schon schwer und Bandula konnte dies nicht mehr verkraften. Als wir am späten Abend zurück im Tempel in Dimbulagala waren, in einer winzigen Hütte, die wir mit zwei alten Männern teilen mussten, in der sicher seit der Erbauung nie sauber gemacht worden ist und in der sich wirklich nur die Moskitos wohlfühlen, da haben wir uns in die schwüle, tropische Nacht gesetzt, ein Rudel Wildschweine zog, völlig ohne Angst, nur wenige Meter an uns vorbei.
Werden nach und nach die Situationen von allen unseren Kindern überprüfen. Es kann und darf nicht sein, dass wir jede Woche Hilfesuchende wegschicken müssen und hier Mädchen und Jungs haben, bei denen sich die Bedingungen bei Onkel oder Tanten verbessert haben, sodass sie auch wieder dort leben könnten. Klar haben Bandula und ich Angst vor dem Moment, wo wir das erste Kind aus diesem Grund wegschicken müssen. Wir haben sie alle lieb gewonnen. Aber es sollte wenigstens ein bisschen Gerechtigkeit geben.
Eine ganz wichtige Nachricht: Nach langem Suchen habe ich endlich die richtige Person gefunden. Obwohl erst 25 Jahre hat Lucian eine sehr gute Ausbildung in englisch, am Computer und ein Studium der Psychologie hinter sich. Er leitet bereits seit 1 Jahr ein Kinderheim in Negombo und ist daher mit allen damit verbundenen Schwierigkeiten, gerade auch in der Führung und Erziehung des Personals vertraut. Er war 2 Tage hier bei uns, wir haben ganz offen über wirklich alles gesprochen und ich konnte auch Bandulas Ängste und Sorgen zerstreuen. Auch er weis, dass es für einen Menschen einfach unmöglich ist, alle anstehenden Aufgaben hier zu bewältigen und dass aus unserem personal noch niemand so weit ist. Auch Buchführung, Kassenkontrolle, Planung, aber auch Teile des Englischunterrichtes kann Lucian übernehmen. Er wird definitiv am 11. März hier seine Arbeit beginnen und ich habe wirklich ein sehr gutes Gefühl.
Bei den noch laufenden Bauarbeiten bremse ich ein wenig, da der Wechselkurs für einen Euro ziemlich im Keller ist und ich nicht zuviel umtauschen möchte. Schule für Schneiderei hat bereits ein Dach, ebenfalls das kleine Bürogebäude neben der Schule.
Mit unserer Schreinerei gibt es leider Schwierigkeiten. Zahllose Zuständigkeiten für die Genehmigung von Holzverarbeitung und jeder will da soviel wie möglich einstecken. Müssen vorsichtig sein und dürfen die Maschinen aus Deutschland nur heimlich anschalten. Dabei gibt es gerade für die Schreiner so viel zu tun. Brauchen Möbel für Wohnung von Lucian, es fehlen überall Schränke, immerhin haben wir ja 6 neue Kinder und auch für das Büro und die Schneiderei haben wir noch keine Einrichtung.
Maria und Peter Bonas sind jetzt seit 12 Tagen hier bei uns und sie machen sich wirklich sehr nützlich, obwohl sie ja jeden Tag für Essen und Unterkunft bezahlen. Peter hat eine "timetable" aus Holz gebastelt. Ohne Stundenpläne funktioniert hier nämlich nichts. Maria hat die ganze Wäsche sortiert und versucht, ihr System der Ordnung auch den Erzieherinnen zu erklären. Jetzt werden sie sich die Buchführung und den Englischunterricht vornehmen. Am Nachmittag beschäftigen sie sich viel mit den Kindern, ohne die Abläufe zu stören. Solche Gäste sind hier wirklich herzlich willkommen.
Ich könnte ewig hier weiterschreiben, soviel passiert hier Tag für Tag. Um diese Zeilen zu schaffen, bin ich extra schon um 4:30 Uhr am Morgen aufgestanden. Aber, es ist mir sehr wichtig, dass sie wissen, was hier geschieht. Nur so können wir die große Entfernung überwinden, nur so könne sie dieser andere Teil der Little Smile Familie bleiben.