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They call it paradise — and destroy it

 

Sie nennen es Paradies — und zerstören es

 

EINFÜHRUNG

Der Mensch und das verlorene Paradies, eine lange, fast unendliche Geschichte, zumindest wenn man die Unendlichkeit mit dem Erkennen eben dieser durch den Menschen gleichsetzt. Adam, Eva, die Versuchung und die Erkenntnis, die, wie so oft zu spät kam. Das war es dann schon, aus und vorbei mit dem Paradies, der Rest sollte hinlänglich bekannt sein, zumindest was die Menschheit betrifft: Kain und Abel, Neid, Mord und Totschlag...
Was aber ist aus dem Paradies geworden? Wohin hat es sich verflüchtigt?
Die Sehnsucht nach dem verlorenen „Garten Eden“ scheint ein uralter Menschheitstraum zu sein. Einst trieb er einige wenige mutige Entdecker in unbekannte Welten, heute ziehen die Karawanen derer, die so anders sein wollen, als der von ihnen verachtete Pauschaltourist, heute also ziehen sie mit Rücksäcken, auf Skootern und in jedem Fall in Massen in die letzten Winkel des Planeten, um das Unentdeckte, Unverdorbene, das Echte und Ursprüngliche zu finden. Noch wichtiger freilich als das Wiederentdecken und Erleben scheint heute das Öffentlich machen des dagewesen seins. „Ich habe das Paradies gefunden! Schaut her, wie schön, wie unberührt es da noch ist“. Ein leichtes Tippen und schon ist der ach so geheime Platz öffentlich, weltweit. Gedankenlos, Angeberei, oder gar „nach mir die Sintflut“?

UNSERE GESCHICHTE

Es war unser Geheimnis, das wir nur mit den selten gewordenen Bergrehen, Wildschweinen und wilden Elefanten teilten. Dieser Ort hat mich sofort verzaubert, hatte seine ureigene Magie, war verspielt und wild, anmutig und gewaltig gleichzeitig. Versteckt in einer Bergschlucht, dessen eine Seite ich bereits im Jahr 2000 erwerben konnte und seitdem mühsam aufgeforstet habe, ergossen sich malerische Wasserfälle in immer neue natürliche Felsenpools. Nichts und niemand störte hier die Natur. Von der Felskante, da wo unser kleines Paradies endete und der Poonagalariver spektakulär ins Tal stürzte, blickten wir manchmal runter ins Tal auf ein hässliches Hotel, auf winzige Menschen in winzigen Autos und dachten glücklich: „Ach wie gut dass niemand weiß...“
Oben auf unserer Seite hatten wir im Jahr 2001 bereits einen kleinen runden Pavillon errichtet, nannten den Ort „Heavens Door“ und er war wirklich unser Tor zum Himmel, nicht nur wegen der grandiosen Aussicht in die schier endlosen Weiten der Steppe im Süden und auf sieben Bergketten im Westen. Hier lag unser Eingang zu einem versteckten Paradies, das wir nur selten und behutsam betraten, weil es einfach gut war, so wie es war, ohne Menschen!
Der Bürgerkrieg endete, der Tourismus nahm Fahrt auf mit immer neuen Rekordzahlen. Die Strände im Süden und Südwesten waren voll mit Menschen und ihren Hinterlassenschaften, nix mehr Paradies. Also zog die Karawane weiter!
Mit dem Zug, auf einer der angeblich schönsten Bergstrecken dieser Welt, kamen sie in Massen, Ella, die touristische Endstation der Zugreisenden expandierte und explodierte. Profis aus dem Süden, die bereits Orte wie Hikkaduwa und Bentota zum Müllabladeplatz der Beachsehnsüchte entwickelt hatten, übernahmen auch hier das Kommando. Ein malerischer Bergort legte ein hässliches Betonkleid an. Weit weg, dachten wir und mieden den Ort.
Und dann kam 2018: Motorroller, made in China, überfluteten Sri Lanka und auf ihnen kamen die neuen Entdecker, geführt vom Smartphone auch in unsere Gegend.
Mein Sohn Manuel im fernen Deutschland entdeckte im Internet, dass man „unser Paradies“ entdeckt hatte und vielfach gepostet, auf Facebook und auf Reiseblattformen. Fotografiert und markiert, damit man es danach über Google problemlos ansteuern konnte: „Da musst du einfach hin bevor es zu spät ist“.  „Der ideale Tagestrip, dahin wo Sri Lanka noch echt ist“. Und wie lange, wenn Tag für Tag leichtbekleidete, Sonnencreme beschmierte Touristen hier einfallen?

Und dann war es so weit. Einer der jungen Männer, wie sie auch in Koslanda am Three-Wheel-Park herumhängen, überwand die allgemeine Verwirrung über so viel weibliche Freizügigkeit. Bis dahin hatte man hier weiße Frauen respektiert, auch das dahin! Leicht bekleidet, rauchend in der Öffentlichkeit und ein Tempelfest sprengend durch erotische Tänze, das also ist die neue, moderne Welt?! Einer der Jungs hatte aber bereits Erfahrungen gesammelt an der Südküste: „Hey friend, you want to see something special?“ Welcher friend möchte nicht special sein und so geschah, was wir schon lange befürchteten: unser Geheimnis wurde gelüftet. Die ersten Bilder und Videoclips gingen online und bald schon kursierte im weltweiten Web die heiße Neuigkeit: „Hidden wonder of Asia discovered!“
Das war’s dann. Vielmehr, jetzt ging es so richtig los. Einheimische Fernsehteams gaben den Geheimtipp auch an die eigenen Leute weiter, wobei bei den Naturbeobachtungen auch die freizügig dargebotenen Reize halb- oder gänzlich nackter Touristinnen einen hohen Stellenwert einnahmen. Und sie kamen, nun die einheimischen Touris und auch die in Massen. Da half es auch nichts, dass wir unsere Seite sperrten. Die Dörfler fanden, dank großzügigem Trinkgeld für die Weißen Schleichwege, die Einheimischen folgten. Irgendwann wurden Zelte aufgeschlagen, wieder vorgemacht von den Ausländern, Lagerfeuer und laute Musik, Tanzen und viel trinken...
Es hat nur wenige Monate gedauert und nichts, wirklich nichts war mehr so, wie es vorher war. In der ersten Zeit zogen unsere Jungs vom benachbarten Bubenheim „Hill Top“ noch jeden Montagnachmittag los, sammelten säckeweise Müll, den wir hochschleppten. Da hatten wir noch die Hoffnung, der Spuk würde irgendwann ein Ende nehmen: wie begonnen so zerronnen. Die Hoffnung erfüllte sich nicht, im Gegenteil. Die nächtlichen Feuer gerieten außer Kontrolle, unser Hang brannte lichterloh. In einer Nacht wurde so zerstört, was wir über viele Jahre mühsam angepflanzt und im heißen Berghang durch viele Trockenzeiten gegossen hatten.
Ach ja, Tourismus bringt ja auch Segen, sagt man, in Form von Jobs und Geld in arme Regionen. Ist das so? Vor kurzem hatte einer unserer Arbeiter sein Aha-Erlebnis. Drei Pärchen waren, wie üblich, herangerollert und brauchten einen Führer und Träger. Klar hat er das gemacht und wurde auch fürstlich entlohnt. In ein paar Stunden hatte er den Verdienst einer Woche gemacht. Das böse Erwachen kam dann mitten in der Nacht, als er aus dem Bett und der Hütte geprügelt wurde von denen, die jeden Touristen der zu den verborgenen Wasserfällen will, als ihr Eigentum betrachten.
Die Polizei von Koslanda hat jetzt auch gut zu tun. Neid, Schlägereien, Diebstähle, Belästigungen, ein Touristenparadies hat halt auch ein paar Schattenseiten. Zu den zahlreichen Waldbränden, fahrlässig oder absichtlich gelegt, kommt eh kein Ordnungshüter, da sind dann wieder nur wir, die mehr und mehr verzweifelt versuchen, das zu retten, was noch übrig geblieben ist von dem, was einmal unser kleines Paradies war.

NACHWORT

Eine Frage habe ich noch an die vielen Gäste aus aller Welt, die gerade über unsere Heimat herfallen? Warum in Teufels Namen behaltet ihr eure Geheimtipps nicht für euch? Warum muss man alles immer sofort hinausposaunen und auch noch markieren damit ja die Massen herfinden, um genau das zu zerstören, was andere bisher als Geheimnis bewahrt haben? Nur deshalb habt ihr das so wie es war entdecken können.
Und noch was kapier ich nicht. Warum fahrt ihr eigentlich in ein anderes Land mit einer völlig anderen Kultur und kümmert euch dann einen Scheiß, ob eure Kleidung oder Nichtkleidung, euer Benehmen, öffentliches Tanzen oder Rauchen, besonders von Frauen, in diese Kultur passen?  Könnt ihr euch vorstellen, was euer gedankenloses Treiben in jungen Einheimischen anrichtet, die ihre Sexualität verdrängen müssen bis sie heiraten?  Ach so, das ist euch egal, Hauptsache ihr habt euren Spaß, tolle Fotos und ward vor den anderen da. ALLES KLAR!

P.S. Irgendwann ist unsere Welt eine einzige Kloake, auch die Orte, die ihr Paradiese genannt habt. Glaubt ihr nicht? Dann schaut mal nach in eurem geliebten Internet unter Boracay / Philippinen. Und wenn Ihr schon mal drin seid in dieser virtuellen Welt, googelt mal: upper diyaluma falls. Und glaubt ja nicht, dass das noch so ist, wie die Bilder vorgaukeln. Once upon a time, bevor die Touristen kamen.