Letzteres wurde zwar schon am Karfreitag lautstark um uns herum gefeiert, doch es böllert immer noch, wenn auch nicht mehr ständig. Hoffe nach drei nahezu schlaflosen Nächten, dass den Nachbarn langsam die Munition ausgeht. Da die am Tag schlafen und in der Nacht feiern, heißt hier laut trommeln oder die Musikanlage auf Anschlag gedreht, mitgrölen, irgendwann streiten, kämpfen und weitersaufen, ich das aber definitiv nicht kann, das am Tag Schlafen bei mehr als 60 Kindern, die sogar für diesen besonderen Feiertag nicht abgeholt wurden, bin ich da im Nachteil, mit dem Schlaf gewaltig im Defizit und hänge langsam in den Seilen.
Am Fest der Feste, denn das ist das singhalesische Neujahrsfest in jedem Fall, ist das ganze Volk unterwegs. Sogar auf unserer schlaglochverwöhnten Bergstraße ist dieser Tage die Völkerwanderung zu spüren. Auch in Sri Lanka ist man inzwischen so weit entwickelt, dass man an Feiertagen auf der Suche ist nach dem Vergnügen, dem also was das Leben außerhalb des Gewohnten zu bieten hat, und macht wie so viele Urlauber vorher die Erfahrung, dass irgendwie immer alle auf die gleiche Idee kommen. Hier fährt man in jedem Fall in die Berge, da wo es kalt ist, bevorzugt nach Nuwara Eliya, wo sich die Menschenmassen dann am kleinen Bergsee vor kitschigen Tretbooten stauen, Stau auch vorher und nachher auf den Zufahrtstraßen. Es lebe der Fortschritt! Auf den kann ich aber gerne verzichten und bin dankbar um unsere Rückzugsgebiete und meide sogar unsere kleine Straße.
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Frohe Ostern Die Buben haben es da freilich besser, geraten sie doch von einem Paradies in ein anderes. Hier wie dort gibt es natürliche Pools, Wasserfälle und Natur ohne Ende, in der Farm aber keine wilden Elefanten, was wir hier eher als Pluspunkt ansehen. Und es gibt mit dem Direktor der Farm Shiran Silva einen Mann als Bezugsperson, willkommene und dringend notwendige Abwechslung zur Weiberwirtschaft unter der Betreuerin Bawani. Kurz danach dann hieß es gut 700 Höhenmeter überwinden, hoch in die Welt des Tees, wo ich mehrere Hindutempel gebaut habe. Einer feierte am Samstag sein jährliches Fest. Und weil mir die Tempelnächte zu laut, zu blutig und zu wild sind, lasse ich mich lieber mittags sehen. Bin dann immer so was wie der Konzelebrant des Samis (Hindupriester), dauert mindestens 90 Minuten, nicht einfach im Dauerschneidersitz, den man hier Lotussitz nennt. Weh tun beide nach einiger Zeit und so lernt man schon aus Schmerzabwehr die Ablenkung, auch Meditation genannt, indem man auf seinen Atem achtet und versucht an nichts zu denken, auf jeden Fall nicht an das Ziehen und Stechen da wo die längst eingeschlafenen Beine das Becken verlassen. Ich hab es überlebt, wie immer, sprich mindestens einmal je Monat in immer wieder anderen Hindutempeln und manchmal auch buddhistischen.
Der Karsamstag und der zweite Tag des Jahres 2561 (das ich das noch erleben darf) neigt sich dem Ende entgegen, außer Frühstück war bisher kulinarisch wirklich nix los, der letzte Kartag eben. Aber das Fasten ist ja auch fast vorbei und dann gibt es wieder Reis und Curry und zur Feier des Ostersonntags Weißwürste aus der Dose. Freu mich da schon so lange drauf, dass die inzwischen knapp 6 Monate abgelaufen sind, was aber kein Problem darstellt, so lange sie nicht schon stinken. Morgen um diese Zeit bin ich dann klüger und habe entweder Weißwürste geschlemmt oder doch nur die von Anka bunt gefärbten Eier. Aus Erfahrung wird man eben auch im Handling des Verfallsdatums klug und so richtig empfindlich sind wir hier nicht, schon gar nicht unser Magen.
Morgen dann werden wir so richtig auf den Putz hauen, ein Frühlingsfest feiern das sich gewaschen hat und hoffentlich nicht weggewaschen wird von den häufigen Gewittern derzeit. Wetter hat ja heute bisher auch gehalten, warum also nicht auch morgen? Für das Fest haben die Kinder 17 verschiedene Spiele vorbereitet, alle im Wettbewerb und so wird es dann gegen Mittag glückliche Gewinner und grantige Verlierer geben.
Für das Spielen kommen auch die Jungs mit Shiran aus der Farm, Bawani mit ihrem Lehrmädchen Sashikala aus Hill Top und wir gehen extra eine Stunde früher zur Osterandacht in unsere Marienkapelle. Sollte also frohe Ostern 2561 geben, hier in Little Smile Mahagedara. Wie geht es sonst so in diesem nie langweiligen Leben? Morgen ist Ostern, ich werde Ostereier verstecken und Schokolade, werde mit Kindern spielen und mich an ihrem Lachen freuen gerade weil ich weiß, wie flüchtig wirklich ALLES ist, das Lachen, das Weinen, Besitz, Leben. Ich habe gelernt mich an Dingen zu freuen, die viele Menschen gar nicht einmal wahrnehmen. Ich freu mich daran, dass ich denken kann und fühlen, lachen und weinen, dass mir Freude und Trauer vertraut sind, ich freue mich an vielen Erinnerungen, an der Natur, die ich hier beschützen darf, an Blumen, ja und auch an Menschen, an einigen zumindest.
Ich bin dankbar, dass die große Familie Kreitmeir und die noch viel größere Little Smile Familie seit dem letzten Osterfest von Katastrophen und Todesfällen verschont geblieben sind. Zwei Tage sind nun seit dem letzten Satz verflogen, höchste Zeit ein Ende zu finden, also: Gerade einmal zwei Tage ist das Jahr 2561 nach buddhistischer Zeitrechnung jung. Im Morgengrauen waren wir nach Hill Top aufgebrochen, habendort gemeinsam mit den Jungs und Bawani, Dominik und seiner Freundin Caro die erste Milch auf einem offenen Feuer erhitzt bis sie überkochte, gleichmäßig in diesem Jahr, angeblich ein gutes Zeichen. Wenig später habe ich jedes Kind mit einem besonderen Öl gesalbt und dabei auch an all diejenigen gedacht, die einst bei uns hier in Little Smile waren und heute irgendwo da draußen leben. Habe ich, haben wir es geschafft, sie auf ein Leben vorzubereiten, in dem Liebe, Gerechtigkeit und Menschlichkeit selten sind? Niemand bleibt was er ist, aus jedem Kind wird eines Tages ein Erwachsener, der dann Spuren hinterlässt in anderen Menschen. Können wir hier wenigstens die grobe Richtung vorgeben?
Tempus fugit – die Zeit rast dahin. Was wird dieses Jahr bringen? Habe inzwischen auch einen sehr lebhaften Ostersonntag hier mit- und überlebt, bin sogar als Gewinner aus zahlreichen Volleyballschlachten in sengender Sonne hervorgegangen. Wir hatten ein viel Freude bringendes Fest mit zahlreichen gemeinsamen Spielen, zu denen nicht nur die Jungs vom Berg runtergekommen sind, sondern auch einige Ehemalige und der Leiter der Farm Shiran mit seiner Frau. Aus Deutschland waren Dominik Pfuhler, Vorstand des Little Smile e.V. und seine Freundin Caro zu Besuch. Gegen Abend dann haben wir gut 100 Päckchen versteckt, alle mit Namen beschriftet, keine Ahnung wie lange Anka da dran gesessen ist. Für einige Kinder hat die süße Freude sogar noch in den Ostermontag ausgestrahlt. Ostern ist nun also auch wieder Erinnerung. Noch dauern die Schulferien hier an, heute am Dienstag sind auch die ersten Arbeiter wieder gesichtet worden. In Deutschland, so war zu lesen, gab es richtiges Sauwetter an den Feiertagen, wie so oft halt. Hier dagegen haben Regen und Gewitter Rücksicht genommen und eine Pause gemacht. Dafür müssen wir schon wieder gießen. Viel Freude am Frühling, der garantiert noch kommen wird. In dankbarer Verbundenheit Michael Kreitmeir |