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Phase 59: April bis Juni 2014
Vor zwölf Jahren war Sumalee das letzte Mal zu Besuch im Kinderdorf. Anfang April kam sie zusammen mit ihrem Bruder Manuel ihren Vater Michael Kreitmeir besuchen. Nach dem ersten neugierigen aber noch schüchternen Blick dauerte es bei den Little Smile Kindern nicht lange und das Eis war gebrochen.
Sumalee, Mitglied der Band
„ Next Generation Family“ war mit ihrem Lebenspartner, dem Musiker Fyah T gekommen und beide staunten nicht nur, aber eben auch über den Reichtum an Pflanzen im Naturschutzgebiet „Little Smile for Nature“. Fyah T fand bei diesem Besuch in einer anderen Welt viele Anregungen und Ideen für neue Songs.
Fast zehn Jahre ist es her, dass Michael und Manuel Kreitmeir im Rahmen der Katastrophenhilfe nach dem Tsunami gemeinsam ein Haus eröffnet haben. Anfang April 2014 war es dann wieder so weit. Gemeinsam durchschnitten Vater und Sohn das Band am Eingang des neuen Bubenhauses auf Hill Top.
Für Manuel Kreitmeir gehört Walli zur Familie. Er war dabei, als wir sie mit schweren Verbrennungen fanden und langsam gesund pflegten, er sah sie heranwachsen und traf sie immer wieder bei seinen zahlreichen Besuchen. Als sie nach ihrer Hochzeit plötzlich verschwand, machte er sich viele Sorgen. Dass sie dann wieder auf der Straße landete, machte ihn sehr traurig. Umso erleichterter war er, dass er nun seiner Schwester, seiner Freundin Shamali und Fyah T das kleine Haus zeigen konnte, das Little Smile für Walli gebaut hat und in dem sie und ihr Sohn Zuflucht gefunden haben.
Am 14. Januar um 11:20 Uhr begann das buddhistische Jahr 2558. In Sri Lanka herrscht rund um dieses Datum für knapp zwei Wochen Ausnahmezustand. Auch im Kinderdorf wird das singhalesische Neujahr gefeiert, allerdings weniger laut als draußen, dafür mit dem traditionellen Entzünden des Feuers in der Küche. Zum ersten Mal war unsere Krishanti als Auszubildende in der Küche für die Zeremonie verantwortlich und es klappte wunderbar: Gleichmäßig kochte die Milch über, ein gutes Omen für das gerade begonnene Jahr.
Als eine große Familie feiern. Wochenlang hatten die Kinder jede freie Minute genutzt, um ein Programm vorzubereiten mit Theaterstücken und Tänzen. Und so zeigten am Nachmittag des 14. April auch diese Mädchen aus dem Moonlighthaus ihren Little Smile Geschwistern und ihrem Lokuthatha die neuesten Tänze.
Am dritten Tag des neuen Jahres segnet das Familienoberhaupt, einer singhalesischen Tradition gemäß, alle Familienmitglieder und salbt sie mit einem ganz speziell für diesen Anlass hergestellten Öl. In Little Smile dauert es eine ganze Weile, bis Michael Kreitmeir alle Mitglieder der mehr als hundertköpfigen Little Smile Familie für das Jahr 2558 nach buddhistischer Zeitrechnung gesegnet hatte.
Auch hohe christliche Feiertage werden im Kinderdorf mit Sinn gefüllt. Das Leiden und Sterben Jesu sahen die Kinder als Film, danach wurde viel darüber nachgedacht und schließlich malten die Kinder ihre Reflexionen zum Karfreitag.
Mehr als hundert Eier wurden am Karsamstag gekocht und gefärbt. Am Ostermorgen dann verteilte Anka die Ostereier an die Kinder, zusammen mit einer besonderen Überraschung, hatte sie doch für jedes Kind einen kleinen Schokoladenosterhasen aus Deutschland mitgebracht. Auch die Kapelle und die Häuser waren österlich geschmückt, dank der Dekoration, die Lenka Rühle auch in diesem Jahr aus Füssen in den Bergdschungel Sri Lankas geschickt hatte.
Einmal im Jahr den Alltag hinter sich lassen und gemeinsam an den Strand fahren und zwar an die Ostküste nach Arungambay. Für die meisten der neuen Kinder ist es das erste Mal in ihrem Leben, dass sie das Meer sehen. Doch die Angst ist schnell überwunden, dank der begeisterten Wasserratten wie Warunia und Niroshani.
Dikshi wurde in einem entlegenen Teepflückerdorf der UVA Provinz in eine bettelarme Familie geboren. Die Not veranlasste die Eltern für ihre Tochter Dikshi einen Ort zu suchen, an dem sie leben und lernen kann, das Mädchen kam nach Mahagedara. Mit 12 Jahren sieht sie nun zum ersten Mal das Meer, obwohl die näheste Küste gerade mal drei Stunden von ihrem Dorf entfernt liegt.
Es ist noch gar nicht so lange her, dass der Fahrlehrer der benachbarten Kleinstadt Wellawaya Frauen als Schülerinnen abgelehnt hat. Doch was soll’s. Im Kinderdorf Mahagedara brauchen wir keinen Fahrlehrer von draußen. Anka bringt das, was sie vor wenigen Wochen von unserem Fahrer Shanta gelernt hat, nun der 18jährigen Anusha bei. Und die lernt schnell und dreht ihre Runden im Three Wheeler, zunächst freilich sicherheitshalber noch auf unserem Sportplatz.
Mit Ende der in diesem Jahr sehr späten Regenzeit können Kinder und Betreuer in Mahagedara am Abend wieder rund um den uralten Boddhi-Baum zusammenkommen. Dieser Ort unterhalb des großen Heilkräutergartens gehört zu den magischen Plätzen im Kinderdorf.
Viele Jahre ist es her, dass Michael Kreitmeir diesen Urwaldriesen in einem entlegenen Winkel des Naturschutzgebietes zum letzten Mal besucht hat. Und wie damals, als er ihn zum ersten Mal im dichten Bergdschungel entdeckte, war der Gründer von Little Smile sprachlos, angesichts dieser Fülle von Leben und dankbar, einen Beitrag leisten zu dürfen, dass dieser gewaltige Baum nicht, wie so viele andere, abgeholzt wurde.
Die ersten Schritte, das erste Wort, Kindergarten und Schule, die Zeit verrinnt und am deutlichsten merkt man das an Kindern. Und auch wenn man es Chamilla, die sicher nicht mehr als 30 kg auf die Waage bringt, nicht ansieht, am 18. Mai 2014 feierte sie ihren 16. Geburtstag und zwar mit einem „big smile“.
Es ist vollbracht, wieder einmal! Unser Schnitzlehrer präsentiert stolz, womit er sich die letzten Monate beschäftigt hat. Seine Arbeiten zeigen eine naive Kunstform, wie sie früher in fast jedem Dorf existierte, inzwischen aber fast völlig verschwunden ist. Ohne jeden Zeitdruck arbeiten dürfen in einer immer hektischeren auf schnellen Erfolg gerichteten Zeit. Little Smile macht es möglich und wird den kommenden Generationen einige eindrucksvolle Schnitzwerke hinterlassen.
Wenn eine Ehemalige zu Besuch ins Kinderdorf kommt, dann gibt es viel zu erzählen. Adhistamatha staunt, wie viel in Little Smile passiert ist, seit sie vor nunmehr sechs Monaten hinausgezogen ist in die Welt. Die großen Mädchen im Greenstar Haus, die alle in diesem Jahr ihren Schulabschluss machen werden, staunen dagegen, was ihre Akka, ihre große Schwester, vom Leben draußen zu erzählen hat.
Nur fünf Wochen war sie mit ihren drei Schwestern im Kinderdorf, da kam der Gerichtsbeschluss: Die Mädchen müssen zurück zu den Eltern. Die 13jährige aber hatte nicht vergessen, wie sehr sie dort gelitten hatte. Traurig nahm sie Abschied, schenkte ihrem Lokuthatha ein Bild von sich und ihm. Dann aber kam die überraschende Wende: Das Mädchen machte vor Gericht den Mund auf, als der Richter fragte, wo sie denn leben möchte und sie kam mit einer ihrer Schwestern eine Woche später zurück nach Little Smile. Lesen Sie dazu den Bericht: Weggerissen
Anfang Mai war es endlich so weit: Walliamma entzündete in der eigenen Hütte das erste Feuer. Was für ein denkwürdiger Moment! Nur wenige Meter entfernt war Walli vor mehr als zehn Jahren in ein Feuer gefallen, hatte sich schwere Verbrennungen zugezogen, war von ihren Eltern aufgegeben worden, für tot erklärt. Ein neuer Anlauf für ein Happy End einer meist traurigen Geschichte? In jedem Fall muss Walli nun nicht mehr draußen leben, schutzlos Wind und Wetter sowie Übergriffen von Männern ausgeliefert.
In Sri Lanka wird der Vatertag im Juni gefeiert, doch weil das in Deutschland eben anders ist, bekam Michael Kreitmeir sein Vatertagsgeschenk am 29. Mai. Völlig überraschend wurden da die beiden Zwillingsmädchen Sanduni und Yenuri nach Little Smile gebracht. Und ganz offensichtlich ließen sich die beiden Zweijährigen weder von den blauen Augen, noch der weißen Hautfarbe oder der Größe ihres neuen Ersatzvaters abschrecken. Und Michael Kreitmeir? Für den Gründer von Little Smile waren die beiden kleinen Mädchen das schönste Vatertagsgeschenk seines Lebens.
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